Aufhören! Rezension des Jahrbuchs "Extremismus & Demokratie" 2016

 

Das Jahrbuch "Extremismus & Demokratie" 2016 ist zugleich seine 28. Ausgabe. Es gliedert sich wie in den vergangenen Jahren auch in einen Teil zu "Analysen", zu "Daten, Dokumente, Dossiers" und einen Literaturteil. In unregelmäßigen Abständen werden im "Forum" aktuelle Themen diskutiert. Dieses Jahr ist die Alternative für Deutschland Gegenstand der Diskussion. Offensichtlich wird in diesem Jahrbuch zweierlei: Erstens scheint der Extremismusforschung, nachdem sie in den vergangenen Jahrzehnten alle Extremismen auf verschiedenste Art und Weise miteinander verglichen hat, die Ideen auszugehen. Und zweitens zeigt das Jahrbuch, dass die Analysen welche die Extremismusforschung bietet neue rechte Bewegungen nicht fassen können, sondern zu ihrer Relativierung beitragen. Deshalb ist es an der Zeit aufzuhören.

 

Der einleitende Artikel von Eckhard Jesse zum "Extremistenbeschluss" von 1972 ist ein Aufguss dessen, was der Autor bereits in den 80er Jahren schrieb. Zwar nennt Jesse als aktuellen Aufhänger Landtagsdebatten um eine Entschädigung der von Berufsverboten Betroffenen, verwendet jedoch weitgehend Literatur, die bereits vor mehr als 30 Jahren erschien. Sowohl seine Hauptthese, als auch dessen Beantwortung sind nicht neu. Jesse versucht zu belegen, dass der Vorwurf, durch den Beschluss hätte das "Duckmäusertum" zugenommen, unbegründet sei. Er argumentiert, dass "deutlich unter 0,1 Prozent" (S. 15) der Bewerber_innen letztendlich abgelehnt wurde. Betroffen waren jedoch nicht nur die wenigen Abgelehnten, sondern ca. 3,5 Millionen Bewerber_innen für den öffentlichen Dienst, die ob ihrer Verfassungstreue überprüft wurden. Vor allem da die - nicht gerade für ihre transparente und demokratische Arbeitsweise bekannte - Börde "Verfassungsschutz" eine zentrale Rolle bezüglich der Einstellungspraxis spielte, ist die Verunsicherung von jungen Menschen die beispielsweise den Lehrberuf anstreben, nachvollziehbar. Wie Jesse zu leugnen, dass eine solch ausgedehnte Überprüfungspraxis negative Folgen auf das politische Klima habe, ist jedoch naiv - oder vorsätzlich.

 

Der Mainzer Politikwissenschaftlers Jürgen Falter widmet sich ebenfalls einem historischen Thema, aber stellt immerhin aktuellen Forschungsergebnisse zur Mitgliederstruktur der NSDAP vor. Dabei knüpft Falter an seine Untersuchung zur Wähler_innenschaft dieser Partei an und kratzt abermals an der These, es handele sich um eine Partei der Mittelschichten. Falter stützt sich in seiner Analyse vor allem auf quantitative Daten die er anhand weniger älterer Lokalstudien ergänzt. Bezüglich der Mitgliederentwicklung und Sozialstruktur der Partei sind seine Ausführungen gewinnbringend, wenn auch aufgrund der unzureichenden Quellenlage manche Leerstellen bleiben. Obwohl Falter diese Leerstellen selbst benennt, schreckt er nicht vor Spekulationen darüber zurück, welcher Anteil der Parteimitglieder überzeugte Nationalsozialist_innen waren und welche aus opportunistischen Gründen beitraten. Einerseits fehlen Falter zeitgenössische Umfragen und andererseits dient jeweils der Zeitpunkt des Parteieintritts als Ankerpunkt für seine Spekulationen - eine anschließende Ideologisierung wird nicht in Betracht gezogen. Seine Schlussfolgerung "Typische NSDAP-Mitglieder dürften folglich eher die opportunistischen Mitläufer als die weltanschaulichen 150-prozentig Überzeugten gewesen sein" stellt eine nicht ausreichend belegte Spekulation ideologischer Momente unter den NSDAP-Mitgliedern dar.

 

In den Reigen der historisch ausgerichteten Beiträge fügen sich die Ausführungen des Rostocker Historikers Werner Müller zu "Sechzig Jahre nach dem KPD Verbot" ein. Er nimmt das 60jährige Jubiläum und die Reaktionen verschiedener Vertreter_innen linker Parteien zum Anlass, um auf die Maßnahmen gegen Kommunist_innen in der Nachkriegszeit und das Parteienverbot von 1956 einzugehen. Leider verpasst es Müller einschlägige neuere Literatur zu dem Thema, wie die 2013 erschienene Monografie von Dominik Rigoll zu "Staatsschutz in Westdeutschland" in seinem Aufsatz zu berücksichtigen, sodass die kundige Leserin wenig neues verfährt.

 

Vergleichende Beiträge wie jener von Matthias Garbert zur Sauerlandgruppe und dem NSU oder von Isabelle-Christine Panreck zu den Wochenzeitungen der freitag und Junge Freiheit dürfen im Jahrbuch selbstverständlich nicht fehlen, bergen aber wenig neue Erkenntnisse. Positiv sticht hingegen der Beitrag von Alexander Kühn über die Partei der Christlichen Mitte und ihre Zeitschrift hervor. Der Artikel endet mit der Feststellung: "Untersuchungen, welche die Christliche Mitte aus der Extremismusperspektive betrachten fehlen bisher gänzlich. Dies wird der Gefährlichkeit ihrer Glaubensinhalte, insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zum demokratischen Verfassungsstaat, nicht gerecht" (S. 275). Diese Lücke kann auch Kühn nicht füllen. Zwar enthalten seine Ausführungen einen guten Überblick zur Struktur der Partei und ihren Kernthemen. Auch arbeitet der Autor die Positionen zum Islam, Homosexualität, Familie und Abtreibung heraus, verpasst aber eine Einordnung in extremismustheoretische Kategorien. Dies würde zeigen, dass die Partei aufgrund ihrer internen Struktur, ihrer radikalen Ablehnung Andersgläubiger und Nicht-Heterosexueller, sowie ihrer geringen Wertschätzung für demokratische Werte, als extremistisch zu bewerten wäre. Offensichtlich scheut sich die Extremismusforschung davor Gruppen, die nicht zu den "üblichen Verdächtigen" gehören, zu analysieren. In sämtlichen 28 Ausgaben des Jahrbuchs ist lediglich 2002 ein Beitrag zu christlichen Gruppen vorhanden. Die offensichtlichen thematischen Überschneidungen zwischen konservativen Politiker_innen und christlicher Fundamentalist_innen bei Fragen der Abtreibung, Familie oder Rechte für Nicht-Heterosexuelle würden den berechtigten Zweifeln an der behaupteten Grenze zwischen Demokrat_innen und Extremist_innen neue Nahrung geben. Und leider verpasst es auch Kühn die Anschlussfähigkeit der Positionen der Christlichen Mitte in die Mitte der Gesellschaft nachzugehen.

 

Die Diskussion um die Einschätzung der AfD verspricht neue Erkenntnisse über die Partei und eine gewisse Kontroversität, da die Herausgeber hier "dem (Wissenschafts-)Pluralismus Rechnung tragen" möchten (S. 114). Ihre Fragen an drei ausgewählte Wissenschaftler beziehen sich auf die Einordnung der AfD als rechtspopulistisch, das Verhältnis der Partei zu den Grundlagen demokratischer Verfassungsstaaten, ihre inhaltlichen Positionen, das Verhältnis zu den anderen Parteien und eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Bevor Frank Decker, Torsten Oppelland und Werner Patzelt auf die Fragen antworten, kommen Jörg Meuthen und Frauke Perty zu Wort, "um das Selbstverständnis der Partei zu dokumentieren" (S. 114), wie die Herausgeber schreiben. Es verwundert kaum, dass die beiden Vorsitzenden der AfD das Forum nutzen, um für ihre Positionen zu werben, den Vorwurf des Extremismus zurückweisen und sich als "grundgesetztreu und rechtsstaatsverliebt" zu präsentieren (S. 116).

 

Frank Decker klassifiziert die AfD als rechtspopulistische Partei mit rechtsextremen Einsprengseln, die "weiterhin innerhalb des demokratischen, nicht systemfeindlichen Spektrums" zu verorten ist. Während Decker den Entstehungskontext (Bund freier Bürger, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Zivile Koalition, Sarrazindebatte) gut darstellt, sind seine Vorschläge zur Entgegnung der AfD streitbar: "eine realistische Zuwanderungspolitik, die die Grenzen der Aufnahmefähigkeit beachtet" (S. 122). Dieser Forderung könnte sich wohl auch die AfD anschließen, mit einer spezifischen Interpretation darüber, wo die Grenzen der Aufnahmefähigkeit liegen.

 

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Torsten Oppelland, der die AfD als rechtspopulistisch und innerhalb des demokratischen Spektrums sieht. Seiner weiteren Analyse legt er vor allem das am 1. Mai 2016 verabschiedete Programm der AfD zugrunde. Dabei lässt er stellenweise die analytische Distanz vermissen. Oppelland zieht eine deutliche Grenze zwischen AfD und NPD, begründet diese aber lediglich mit einer Selbstaussage der AfD. Die Partei sei nicht rechtsextrem wie die NPD, da sich ihre Mitglieder "in ihrem Grundsatzprogramm als "Liberale und Konservative" als "freie Bürger unseres Landes" und als "überzeigte Demokraten" definieren" (S. 125). An dieser Stelle sei nur daran erinnert, dass sich auch die NPD offiziell zur FdGO bekennt. Die Ausführungen von Björn Höcke verbucht Oppelland als unter "Verbalradikalismus" (S. 123).

 

Auch Werner Patzelt schließt sich im Großen und Ganzen den Einschätzungen seiner Kollegen an. Er bemerkt jedoch, dass sich der Populismusbegriff nur bedingt eignet, da er vor allem einen politischen Stil beschreibt. Zwar erkennt er bei einem "Großteil der AfD-Mitglieder und AfD-Wähler islamophobe und (übergeneralisierte) muslimfeindliche Positionen" (S. 131), sowie "eine minoritäre Akzeptanz von Antisemitismus und kulturalistischem Rassismus" (S. 130), kommt jedoch zu dem Schluss: "Insgesamt gibt es keinen Grund, die AfD als "außerhalb des demokratischen Spektrums" befindlich einzuschätzen." (S. 130)

 

Alle drei Beiträge zeigen das Problem der Extremismsforschung in der Auseinandersetzung mit der AfD (und anderen neurechten Bewegungen) deutlich. Ihrer Analyse legen sie ein Extremismusbegriff zugrunde, der sich antithetisch zum demokratischen Verfassungsstaat verhält. Da die AfD nicht gegen dessen Grundlagen agitiert, gilt sie im Umkehrschluss als demokratisch. Folglich gelten auch ihre Positionen als legitimer Bestandteil demokratischer Auseinandersetzungen. Die vorgelagerte Unterscheidung zwischen demokratisch und extremistisch führt also dazu, dass der Rassismus, Sexismus, Antisemitismus etc. der AfD zwar kritisch beurteilt, aber mit demokratischen Weihen versehen wird. Somit trägt die Extremismusforschung mit ihren Analysekriterien zur Ausdehnung des Sagbarkeitsfeldes für menschenfeindliche Positionen bei. In ihrer demokratietheoretischen Einschätzung der AfD sind sich die Partei selbst, der Verfassungsschutz und die Extremismusforschung einig. Eine Verabsolutierung der Unterscheidung demokratisch/extremistisch, geht mit einer Vernachlässigung der Analyse menschenfeindlicher Positionen der Partei einher. Verfassungsschutz und Extremismusforschung können aufgrund ihrer konzeptionellen Grundlagen keine Lösungen im Umgang mit der AfD geben, sondern präsentieren sich regelmäßig als Teil des Problems.

 

Seit mehr als 30 Jahren treibt die Extremismusforschung ihre Unwesen und bestückt fast ebensolang jährlich Universitätsbibliotheken und die Regale der Verfassungsschutzbehörden mit ihrem Jahrbuch. Lesenswerte Impulse waren auch dieses Jahr Mangelware. Mag einem die inhaltliche Ausrichtung der meisten Beiträge nicht gefallen, waren sie zeitweise zumindest Teil aktueller Debatten. Dies konnte in diesem Jahr nur die Forumsdiskussion über die AfD leisten. Hier zeigt sich aber, dass die Extremismusforschung einem Schutz eines demokratischen Zusammenlebens und dem Eintreten gegen Menschenfeindlichkeit im Wege steht. Es wird höchste Zeit, dieses Treiben zu beenden.

Maximilian Fuhrmann, Universität Bremen

"Ein Jahr ohne Ãœberraschungen" - Eine Rezension des Jahrbuch "Extremismus & Demokratie"

von Maximilian Fuhrmann (Uni Bremen)

 

Ende des Jahres 2014 erschien das Jahrbuch Extremismus & Demokratie zum 26. Mal. Seit ebenso vielen Jahren wird es von Eckhard Jesse und Uwe Backes herausgegeben, Alexander Gallus ist seit 2009 dabei. Der Aufbau des Buches hat sich im Laufe der Jahre kaum geändert und gliedert sich in die Hauptrubriken »Analysen«, »Daten, Dokumente, Dossiers« und »Literatur«. Auf knapp 200 Seiten werden Werke besprochen, die im Jahr 2013 erschienen sind und im weiteren Sinne die Felder Extremismus und Demokratie abdecken. Auch die insgesamt 13 Hauptartikel sind inhaltlich breit gestreut und bieten keinerlei Bezüge zueinander, weswegen ein Roter Faden nicht zu erkennen ist. Die Klammer des Jahrbuchs ist mit den ebenso weiten wie umstrittenen Begriffen »Extremismus« und »Demokratie« wenig greifbar.

Das Jahrbuch wird mit dem Verweis auf die NSU-Untersuchungsausschüsse und Urteile hinsichtlich der Überwachung von Politiker_innen der Linkspartei eingeleitet, was Anlass gibt »in zwei Analysen Grundsatzfragen des Demokratieschutzes zu thematisieren« (S. 7). In der einen Analyse widmet sich Patrick Stellbrink dem Juristen und sozialdemokratischen Reichsjustizminister Gustav Radbruch (1878-1949), und in der zweiten kritisiert Uwe Backes die Ausführungen von Claus Leggewie und Horst Meier, die eine Abschaffung des Verfassungsschutzes fordern.

Backes bestreitet, dass es sich bei der bundesdeutschen Variante der streitbaren Demokratie um einen »Sonderweg« handelt und weist in einem zweiten Teil die verschiedenen Kritikpunkte am Verfassungsschutz zurück. Dieser sei weder auf dem rechten Auge blind, noch unkontrolliert oder intransparent. Überraschenderweise spart er den Hauptkritikpunkt von Leggewie und Meier aus. Diese monieren, dass eine Vorverlagerung des Demokratieschutzes auf »extremistische Bestrebungen« eine unverhältnismäßige Beschneidung von Grundrechten darstellt, da somit Bürger_innen von nachrichtendienstlicher Überwachung und dem Entzug von Grundrechten betroffen sein können, ohne eine Straftat begangen zu haben. Sie sprechen sich für einen gewaltorientierten Republikschutz aus, verbunden mit dem Ausbau des polizeilichen Staatsschutzes. Diese Alternative diskutiert Backes in einem dritten Teil und deutet mehrfach an, dass durch einen vergleichbar schwachen Demokratieschutz schon die Weimarer Republik gescheitert sei. Auf die Frage aber, ob die stabilisierte Demokratie der Bundesrepublik der illiberalen Schutzmechanismen bedarf, welche für eine post-nationalsozialistische Gesellschaft der späten 40er und 50er vorgesehen waren, geht Backes nicht ein.

In einer weiteren Analyse widmet sich Manuel Becker dem Verhältnis von Geschichtspolitik und Politikwissenschaften. Kenntnisreich führt er die Bedeutung des Begriffs »Geschichtspolitik« in der Bundesrepublik aus und systematisiert verschiedene geschichtspolitische Felder. Er unterscheidet einen »Zugriff auf Geschichte als Element des politischen Handelns [der] ›instrumentell‹ erfolgt« (S. 63) von einem materiellen Zugriff. Letzteren differenziert er in Vergangenheitspolitik und Erinnerungspolitik. Ein wenig aus dem Rahmen fällt der Abschnitt »Geschichtspolitik in der vergleichenden Extremismus- und Diktaturforschung«, der gleichzeitig den problematischen Analyseblick offenbart, wie er von einem Großteil der Extremismusforschung eingenommen wird: Becker skizziert kurz die Umdeutung der Geschichte durch Rechtsextremist_innen im Sinne ihrer aktuellen Politik. Mit »dieser ›Indienstnahme‹ der Vergangenheit für politische Zwecke« will er eine »strukturelle Ähnlichkeit zwischen Rechts- und Linksextremisten« ausmachen (S. 61). Dies begründet er unter anderem mit der instrumentellen Bezugnahme der RAF auf den Nationalsozialismus. Dass aber eine solche Bezugnahme zum Repertoire vieler Politiker_innen gehört, deren prominentestes Beispiel Joschka Fischer im Vorfeld des Kosovokriegs 1999 ist, erwähnt Becker an dieser Stelle nicht. Er sieht also eine strukturelle Ähnlichkeit, wo keine exklusive ist, da von vornherein sein Blick nur auf jene politischen Strömungen gerichtet ist, deren Ähnlichkeit er zeigen möchte. Auch Äpfel und Hagebutten weisen als Kernobst gewisse Ähnlichkeiten auf, die sich aber bei einem Blick auf die gesamte Obstauslage relativieren. Ohne den Exkurs auf die Extremismusforschung hätte der sonst lesenswerte Artikel von Becker mehr gewonnen als verloren.

Ein weiterer Artikel, der ohne den Versuch ihn ins extremismustheoretische Korsett zu pressen gewonnen hätte, ist das Länderportrait zu Island. Christian Nestler zeichnet ein fundiertes Bild von der politischen Landschaft, welche durch die Finanzkrise 2007 starke Veränderungen erfuhr. Unter den Zwischenüberschriften »Rechtsextremismus« und »Linksextremismus« diskutiert er die Entwicklungen auf der rechten, respektive linken Seite des politischen Spektrums, um zu dem Schluss zu kommen, dass es weder relevante rechts- noch linksextreme Parteien gibt. Inhalt und Überschrift klaffen weit auseinander, da die Einpassung des Länderbeispiels in das vorgefertigte Schema des Jahrbuchs offensichtlich nicht aufgeht. Wie andere Länderberichte in den Jahrbüchern auch klammert Nestler die Fragen aus, wie bzw. ob die Grenze zwischen Extremismus und Demokratie oder Instrumente der streitbaren Demokatie im Land selber verhandelt werden. So verbleibt der Beitrag bei einem Blick von außen durch ein Schema, welches sich nicht sinnvoll auf das Beispiel anwenden lässt.

Durchwegs lesenswert sind die Beiträge von Kai Hirschmann und Judith Faessler. Hirschmann beleuchtet die Szene der Djahadistinnen und nimmt dabei die kontroversen Diskussionen innerhalb der islamisch-terroristischen Szene über die Rolle von Frauen in seine Darstellung auf. Dabei richtet er sein Augenmerk besonders auf Konvertitinnen und westlich sozialisierte Muslima, denen »etwas mehr geboten werden« muss »als ein Dasein als devote Anhängsel der Männer im Diesseits und das Paradies im Jenseits an der Seite ihrer Ehemänner« (S. 187). Faesslers Artikel stellt das von Verfassungsschutzbehörden beobachtete Internetportal muslimmarkt vor. Neben einer detaillierten Beschreibung des Portals und Informationen zu ihren Gründern liefert Faessler eine kurze Analyse und weitere Literaturhinweise. Ihre Einschätzungen zu den (vielleicht falsch gestellten) Fragen, ob das Portal desintegrativ wirke oder die Bildung einer »Parallelgesellschaft« fördert wirken reichlich spekulativ, wohingegen die Einschätzungen zur antisemitischen Ausrichtung des Portals sehr viel stichhaltiger sind.

Nicht weniger informativ ist der Artikel von Jan Freitag über die heterogene Reichsbürgerbewegung. Diese ist vor allem in den neuen Bundesländern aktiv und seit einigen Jahren auch im Visier des Verfassungsschutzes, v.a. in Brandenburg. Freitag stellt die Geschichte und Ideologie der Bewegung dar, diskutiert ihre Nähe zum Rechtsextremismus und das daraus folgende Gefährdungspotential. Er benennt verschiedene Ideologieelemente, die Überschneidungen zur extremen Rechten und erwähnt Annäherungsversuche zu gewaltbereiten Gruppen. Dabei muss er weitestgehend auf behördliche Einschätzungen zurückgreifen, was darauf verweist, dass eine sozialwissenschaftliche Forschung über Ideologie, Attraktivität und Zusammensetzung der Reichsbürgerbewegung noch aussteht.

Mit einem Ereignis der linken Szene beschäftigt sich Karsten Dustin Hoffmann. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und linken Demonstrant_innen am 21.12.2013 in Hamburg stellt er als »repräsentativen Einzelfall« vor, um »generelle Tendenzen« der »militanten Linken« aufzuzeigen. Seiner These wenig förderlich ist eine mehrseitige Abhandlung die zeigt, dass am 21.12.2013 mit der Verschränkung dreier stadtpolitischer Themen (eine angedrohte Räumung des autonomen Zentrums Rote Flora, anhaltende Flüchtlingsproteste, geplanter Abriss der »Esso-Häuser«) eine sehr spezielle Situation geschaffen wurde. Als generelle Tendenz sieht er eine stärkere Bedeutung überregionaler Vernetzung der »militanten Linken«, die Hoffmann mit der Jahrtausendwende ausmacht, wobei sich ausgerechnet 2001 der wichtigste Zusammenschluss, die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation, auflöste. Ungenügend belegt bleibt auch seine These, dass »die Mehrheit der Militanten Gewalt gegen Menschen grundsätzlich befürwortet« (S. 137). Als Quelle dienen drei Seiten aus einem Aufsatz von ihm selbst. Nicht beachtet werden beispielsweise die ausführlichen Studien von Sebastian Haunss, Klaus Hoffmann-Holland und Nils Schuhmacher oder der Sammelband des Deutschen Jugendinstituts »›linke‹ Militanz im Jugendalter«. Die pauschale Feststellung »Die militante Linke betrachtet die Bundesrepublik als Vorstufe des Faschismus« scheint für Hoffmann keinerlei Erläuterung oder Verweise zu bedürfen. Durchaus interessant ist hingegen seine Feststellung, dass sich in den letzten Jahren vermehrt Gruppen antiimperialistischer Ausrichtung bildeten. Von einer »Trendwende« oder gar »generellen Tendenz« in der Ideologie der »militanten Linken« kann jedoch nicht gesprochen werden. Vielmehr scheint der Fokus des Autors auf Hamburg Ausschlag für diese These gegeben zu haben. Hoffmann hat für seinen Artikel viele Aussagen aus offen zugänglichen linken Blogs sowie Beispiele »linker Militanz« zusammengetragen. Die Folgerungen, die er daraus zieht können aber nicht überzeugen, da die Gewichtung und Kontextualisierung der Quellen lückenhaft ist. Zudem finden wissenschaftliche Arbeiten aus diesem Feld keine Beachtung; sie würden die Zweifel an den Schlüssen des Autors mehren.

Die Artikel zu Dokumentation 2013 (über die Alternative für Deutschland), Organisation 2013 (über die Entwicklungen extremistischer Organisationen) und Wahlen 2013 fördern wenig Neues zu Tage, was auch daran liegt, dass das Jahrbuch erst spät im Folgejahr erscheint. Zudem finden sich ein Beitrag von Frank Decker mit zehn Ideen für eine Demokratiereform und ein Porträt über Diether Dehm, verfasst von Jürgen P. Lang im Jahrbuch 2014.

Insgesamt birgt das Buch wenige Überraschungen. Die inhaltliche Nähe der Extremismusforschung zu den Sicherheitsbehörden zeigt sich erneut deutlich. Einige interessante Artikel, vor allem von jungen Wissenschaftler_innen, wären gewinnbringender zu lesen, folgten sie nicht den Prämissen der Extremismusforschung. Deren umstrittene Annahmen sind den Artikeln fast ausnahmslos vorausgesetzt und werden in den Jahrbüchern nicht wirklich kontrovers diskutiert. Somit wird auch das vorliegende Buch nur in einer kleinen wissenschaftlichen Community wahrgenommen werden. Es steht zu vermuten, dass es den Protagonist_innen wie auch in den letzten Jahren dennoch gelingt, durch ihre Kontakte in die Politik, zu Stiftungen und Sicherheitsbehörden eine breitere Aufmerksamkeit für das Jahrbuch Extremismus & Demokratie herzustellen, als es seiner wissenschaftlichen Qualität gebühren würde.

Rezension des Jahrbuchs "Extremismus & Demokratie" 2015

 

Im Januar 2016 erschien die 27. Ausgabe des Jahrbuchs "Extremismus & Demokratie". Es gliedert sich wie in den Jahren zuvor in die drei Kapitel "Analysen", "Daten, Dokumente, Dossiers" und "Literatur". Für die vorliegende Rezension ist lediglich das Analysekapitel von Interesse, da sich die anderen Kapitel auf Darstellungen bzw. Rezensionen beschränken.

Von den vier Beiträgen in diesem Kapitel, gehe ich auf zwei knapp, und auf die beiden anderen ausführlicher ein. Besondere Aufmerksamkeit verdienen der Artikel "Liberalität und Äquidistanz in Deutschlands politischer Kultur" von Tom Mannewitz, da hier zentrale Fragen der Extremismustheorie aufgeworfen werden, sowie Armin Pfahl-Traughbers Abhandlung über die brisante aktuelle Frage der "Nicht-Erkennung des NSU-Rechtsterrorismus".

In einer weiteren Analyse beleuchtet Alexander Gallus, einer der Herausgeber des Jahrbuchs, in seinem Artikel "Zur Historisierung und Aktualität des 20. Jahrhunderts" das Zusammenspiel von Wissen und Ideologie, wobei sein Fokus auf der Entwicklung der Verknüpfung von Technokratie und Politik liegt.

Der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker zeichnet den Weg der populistischen Parteien in Europa "vom Protestphänomen zur politischen Dauererscheinung" nach. Er behandelt dabei knapp die Erfolgsgeschichte, Entstehungshintergründe, ideologischen Spielarten, organisatorischen Merkmale sowie die Wirkungen und Bekämpfungsstrategien dieser parteipolitischen Phänomene. Der Artikel gibt einen guten Überblick, kann aber aufgeworfene Fragen nicht zufriedenstellend beantworten. So leitet Decker aus seinem Populismusverständnis ab, dass dieser einen ideologischen Hang nach rechts habe, weswegen sich die Frage stelle, "ob es einen originären Linkspopulismus überhaupt geben kann" (S. 67). Die linkspopulistische Partei Spaniens, PODEMOS, erwähnt er zwar und verweist auf deren Bezugnahme auf die postmarxistischen Theoretiker_innen Ernesto Lauclau und Chantal Mouffe. Leider bleibt er aber bei einer Beschreibung der Partei stehen und versäumt eine Auseinandersetzung mit der - aus explizit linker Perspektive formulierten - Populismustheorie von Laclau und Mouffe. Diese Auseinandersetzung hätte eine interessante Antwort auf die aufgeworfene Frage geben können.

Tom Mannewitz, Juniorprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Chemnitz, untersucht die "Liberalität und Äquidistanz in Deutschlands politischer Kultur". Bei dem Aspekt der Liberalität geht es ihm vor allem darum, "ob eine Gesellschaft jene Meinungen im politischen Diskurs akzeptiert, denen sie jedwede Rechtmäßigkeit abspricht" (S. 38). Das Gebot der Äquidistanz fordere eine Gleichbehandlung der Feinde der Demokratie, unabhängig von ihren politischen Motiven. Dies sei eine Besonderheit der streitbaren Demokratie, deren Fürsprecher Mannewitz ist.

Seine Kernaussagen, die bundesdeutsche Gesellschaft sei in hohem Maße illiberal und verstoße gegen das Gebot der Äquidistanz, begründet er vornehmlich anhand Untersuchungen des International Social Survey Programms (ISSP). Da er seine Interpretationen auf lediglich drei Fragen (Items) aufbaut, lohnt sich ein Blick auf diese. 2004 wurde gefragt, ob es Rechtsextremisten ("people prejudiced against any racial or ethnic group", S. 40, FN 24) erlaubt sein sollte, öffentliche Veranstaltungen abzuhalten. 2008 wurde die gleiche Frage bezüglich religiösen Extremisten ("religious extremists" S. 40, FN 26) gestellt. 2006 wurde laut Mannewitz die Verbotsbefürwortung gegen "Linksextremismus" abgefragt. Hier lautet das Item: "There are some people whose views are considered extreme by the majority. Consider people who want to overthrow the government by revolution. Do you think such people should be allowed to hold public meetings to express their views?" (S. 40 FN 25)

Während seine Interpretation der ersten beiden Aussagen als gegen Rechtsextremismus und religiösen Extremismus gerichtete Items nachvollziehbar ist, zeigt sich hinsichtlich des dritten Items ein Widerspruch zwischen dem was abgefragt wurde und Mannewitz´ Interpretation. Denn es wurde keine inhaltliche, geschweige denn "linksextreme" Position verhandelt, sondern ein politisches Mittel, die Revolution. Darunter fallen folglich sowohl die bürgerlichen Revolutionen gegen die sozialistischen Regierungen in Osteuropa, als auch revolutionäre Bestrebungen von Faschisten gegen bürgerliche Gesellschaften. Somit werden auch seine, auf diese Interpretation aufbauenden, Analysen obsolet, da schlichtweg nicht das abgefragt wurde, was der Autor behauptet.

Werfen wir trotzdem ein Blick auf seine weiteren Ausführungen. Der Mangel an Äquidistanz in der politischen Kultur Deutschlands besteht laut Mannewitz darin, dass 92,5% der Befragten, Rechtsextremist_innen eine öffentliche Veranstaltung verbieten wollen, aber nur 30% den "Linksextremist_innen" (bzw. "people who want to overthrow the government by revolution"). Diesen Mangel glaubt er weiter damit belegen zu können, dass sich 2005 18% der Bundesbürger_innen vorstellen konnten, ein Wahlbündnis aus WASG und PDS zu wählen, aber "bei einem Pendant von rechtsaußen [bestehend aus einem Bündnis von NPD und DVU] waren es lediglich 4,3 Prozent" (S. 51). Für Mannewitz ist dieses Ergebnis "angesichts der doppelten Diktaturerfahrung ein überraschender Befund" (S. 51). Dadurch gibt der Autor indirekt Einblicke in die schlichte Analyse der Extremismusforschung. Die Gleichung DDR = Linksextremismus = WASG / PDS geht aus zahlreichen Gründen nicht auf. Im vorliegenden Fall stand mit der WASG / PDS ein Bündnis aus Gewerkschafter_innen, Sozialdemokrat_innen und kleinen Gruppen, die es nach wie vor wagen von Sozialismus zu sprechen, zur Wahl. Dieses Bündnis mit der DDR zu identifizieren ist empirisch ebenso wenig haltbar, wie die implizite Gleichsetzung von WASG / PDS mit einem neonazistisch geprägten angeblichen "Pendant von rechtsaußen".

Eine mangelnde Liberalität erkennt Mannewitz neben den hohen Zustimmungen für Versammlungsverbote gegen Rechtsextremist_innen auch in der Zustimmung von mehr als Dreivierteln der Bundesbürger_innen zu der Aussage "Political parties that wish to overthrow democracy should be banned" (S. 40 FN 27). Die Kritik an den Zustimmungswerten zu dieser Aussage steht im Widerspruch zu seiner Parteinahme für die streitbare Demokratie. Denn im Grundgesetz, welches nach der Prämisse der streitbaren Demokratie ausgerichtet ist, wird die Möglichkeit eines Parteienverbots ausdrücklich eingeräumt. Den Balanceakt für mehr Liberalität und für die streitbare Demokratie versucht Mannewitz durch unkonkrete Ausführungen zu meistern: "Freiheit nur für jene, die sich innerhalb des gesellschaftlichen Konsenses bewegen ist keine Freiheit." Diese wird jedoch gewährt "- jedenfalls im Rahmen streitbarer Demokratie - nur solange diese Freiheit nicht missbraucht wird, um Freiheit abzuschaffen" (S. 52).

Dass aber einem Demokratieverständnis, in dem den Staatsbürger_innen Freiheit von Staatswegen gewährt (und ggf. entzogen) wird und neben Verbotsmaßnahmen ein präventiver Demokratieschutz angelegt ist, schon ein höchst illiberales Moment innewohnt, reflektiert Mannewitz nicht. Liberalität erschöpft sich in einem Plädoyer dafür, staatliche Repressionsinstrumente maßvoll einzusetzen. Dabei zeigt die Geschichte der BRD, dass bereits die Möglichkeit des Verbots politischer Vereinigungen und Parteien, den offenen Meinungswettstreit stark einschränkt.

Aufgrund der mangelhaften empirischen Basis und der argumentativen Schwächen des Artikels fällt es schwer positive Aspekte hervorzuheben. Selbst historische Begebenheit gibt Mannewitz falsch wieder, um seine Thesen zu unterfüttern. So entspricht es nicht den öffentlichen und politischen Diskussionen, dass nach dem Verbot der KPD 1956 "spätere [Verbots-]Diskussionen doch ausschließlich um rechtsextreme Formationen: um die NPD in den 1960er Jahren, um die REP in den 1980er Jahren" kreisten. Ein Blick in die Protokolle des Bundeskabinetts aus den Jahren 1968/69 zeigt, dass ein Verbot der DKP sehr wohl diskutiert wurde. Am 23. April 1969 heißt es in den Protokollen: "Bundesminister Benda spricht sich dafür aus, einheitlich gegen Rechts [NPD] und Links [DKP] vorzugehen." und weiter: "Der Bundeskanzler hält es politisch nicht für möglich, nur gegen eine Seite vorzugehen." Schon damals hatte die Prämisse der Äquidistanz einen hohen Stellenwert in der politischen Kultur der BRD - und schon damals funktionierte sie ohne eine Begründung am Gegenstand.

In seinem Artikel "Die Nicht-Erkennung des NSU-Rechtsterrorismus" verfolgt Armin Pfahl-Traughber das Ziel, den Vorwurf auszuräumen, die analytische Fixierung der Sicherheitsbehörden auf die Extremismustheorie hätte dieses Nicht-Erkennen befördert. Er argumentiert, dass die vergleichende Extremismusforschung "gerade zur Erkennung des NSU-Rechtsterrorismus hätte führen können" (S. 75).

Nach der richtigen Feststellung, dass weniger die Methode des Vergleichs, als die Auswahl der Vergleichsobjekte und der Vergleichsmerkmale einer Begründung bedürfen, vergleicht er die Mordserie des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrunds mit dem deutschen Rechtsterrorismus, dem deutschen Linksterrorismus, mit dem Rechtsterrorismus im Ausland und anderen Ideologieformen des Terrorismus im Ausland (v.a. dem Djihadismus).

Überzeugen kann vor allem sein Argument, dass ein Vergleich mit dem "Lasermann" in Schweden, dem "Nagelbomber" in Großbritannien und dem Konzept der "Leaderness Resistance" in den USA "zu richtigen Hypothesen über den rechtsextremistischen Hintergrund der Taten [hätte] führen müssen" (S. 86).

Im Vergleich mit dem Rechtsterrorismus in Deutschland sieht er Ähnlichkeiten in der neonazistischen Ideologisierung und Radikalisierung der Täter, macht aber in der erhöhten Gewaltintensität eine "neue Dimension" (S. 82) in den Taten des NSU aus. Diese These wirkt jedoch nur durch eine wichtige Auslassung in der Analyse Pfahl-Traughbers einigermaßen plausibel. Denn weder berücksichtigt er das Oktoberfestattentat von 1980, noch die gezielten Schüsse des Neonazis Kay Diesner auf einen linken Buchhändler und zwei Polizeibeamte 1997. In einem früheren Artikel begründet er diese Auslassung mit seiner Terrorismusdefinition, nach der Terror immer von einer Gruppe begangen werden müsse( vgl. Pfahl-Traughber, Armin 2012: Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) im Lichte der Entwicklung des deutschen Rechtsterrorismus. In: Jahrbuch Extremismus & Demokratie. S. 180). Da sowohl Diesner als auch Köhler offiziell als Einzeltäter gelten, fließen sie nicht in seine Analyse ein, obwohl sie Ende der 70er bzw. Mitte der 90er Jahre nachweislich in einer gewalttätigen neonazistischen Szene sozialisiert wurden. Nur durch diese formalistisch begründete Auslassung kann Pfahl-Traughber eine "neue Dimension" des deutschen Rechtsterrorismus feststellen.

Es ist Pfahl-Traughber zuzustimmen, dass durch einen Vergleich der damals nicht aufgeklärten Mordserie mit anderen (rechts)terroristischen Taten wahrscheinlich Erkenntnisse über ein rechtsextremes Tatmotiv ermittelt hätten werden können. Hier würden auch die meisten Kritiker_innen der Extremismustheorie nicht widersprechen. Deren zentrale Kritik zielt aber auf die Frage ab, warum ein solcher Vergleich von den Sicherheitsbehörden erst gar nicht in Betracht gezogen wurde. Warum wurde nicht ernsthaft geprüft, ob hinter den Taten Rechtsterroristen stecken könnten? Die zentrale Frage, der Pfahl-Traughber leider nicht nachgeht, ist, ob der analytische Fokus der Sicherheitsbehörden auf die Extremismustheorie verhinderte, dass ein rechtsterroristischer Hintergrund der Taten in Betracht gezogen wurde. Dieser Verdacht wiegt nach wie vor schwer und ist von der Extremismusforschung bis heute nicht ausgeräumt worden.

 

Maximilian Fuhrmann, Universität Bremen

Seminar: "Die Arbeit der Schlapphüte - Welchen Schutz braucht die Verfassung"

Arbeit und Leben Frankfurt lädt ein zum Wochenendseminar:

"Die Arbeit der Schlapphüte - Welchen Schutz braucht die Verfassung?"

Die drei Nachrichtendienste der Bundesrepublik sind schwer in die Kritik geraten. Eine grundsätzliche Reform, bis hin zur Abschaffung wird diskutiert. Besonders der Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz) - seit langem von Bürgerrechtlern kritisch betrachtet - kam ins Gerede. Selten hatten sich Staatsschützer so blamiert; unbehelligt konnten rechtsradikale Terroristen offenbar über Jahre Morde verüben. Mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse fanden heraus, dass die Rolle des Verfassungsschutzes dubios bleibt. Akten wurden vernichtet, viele Verantwortliche klagten über Erinnerungslücken.
Wie sind eigentlich diese Nachrichtendienste entstanden, worin besteht ihr Auftrag, mit welchen Mitteln wird gearbeitet und wer kontrolliert diese Arbeit? Wie unterscheiden sich Polizei und Verfassungsschutz? Was ist ein V-Mann?
Welchen Schutz braucht unsere Verfassung und können Bürger/-innen etwas dazu beitragen?  Dies sind Fragen, die grundsätzlich und auch mit aktueller Perspektive im Seminar aufgegriffen werden
     
Kurs-Nr. 7502-02

Wochenendseminar mit Dr. Jürgen Behre

Sa,8.,So, 9. Februar 2014
10-16.30 Uhr
VHS Frankfurt
Sonnemannstr. 13

Information und Anmeldung
Christian Becker
Telefon 069 212-37656
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Termine

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