Wer bedroht die Demokratie? - Jugendverbände unter Generalverdacht

 

 

Kommentar von Holger Kindler, stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Jugendrings

 

Es ist absurd. Jugendverbände und andere Organisationen und Initiativen, die sich in ihren Zielen und Ansätzen der Förderung von demokratischem Bewusstsein und Handeln verpflichten und dies seit Jahrzehnten betreiben, sind z

unehmend dem Generalverdacht ausgesetzt „antidemokratisch“ zu agieren. Die jüngsten Vorstöße aus zwei Bundesministerien gehen dabei ans Eingemachte: an die finanzielle Förderung auch der Jugendarbeit. Sowohl die Extremismusklausel als auch eine geplante Änderung bezüglich der Gemeinnützigkeit von Vereinen wurden nach massiven Protesten weitgehend zurückgenommen. Für die (betroffenen) Verbände und Vereine hat das nicht nur einigen Kraftaufwand und politische Überzeugungsarbeit bedeutet. Deutlich mehr Engagierte in der Jugendarbeit sind verunsichert, aber gleichzeitig auch gewarnt für  zukünftige politische Vorhaben mit dieser Stoßrichtung.

 

Hintergrund bildet eine unreflektierte Extremismusdebatte, die zu nichts taugt außer Angst vor „Extremisten“ zu verbreiten und demokratisches Engagement ins Zwielicht zu rücken. Wer einen Blick auf dieses plumpe und falsche Gesellschaftsbild werfen will, muss nur in einen der 17 Verfassungsschutzberichte der Länder und des Bundes schauen. Die Strukturen, Akteure und Straftaten des Rechts-, Links- und Ausländerextremismus werden in diese drei Kategorien einsortiert, ohne diese Brandmarkung zu begründen. Keine Erwähnung finden jedoch beispielsweise die weit verbreiteten rassistischen Einstellungen, welche die Demokratie schwächen und bedrohen. Mit solchen Einstellungen wird es die (Zivil-)Gesellschaft sicher nicht schaffen, demokratische Errungenschaften zu verteidigen oder auszuweiten.

 

Die völlig intransparent erstellten Verfassungsschutzberichte sind eine Grundlage für die An- und Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Vereinen durch die Finanzämter. Das Finanzministerium wollte dies ab 2013 verschärfen: Nach der bloßen Erwähnung in einem der 17 Berichte sollten Vereine automatisch (und rückwirkend) ihre Gemeinnützigkeit verlieren. Ausreichend Beispiele zeigen, dass eine Organisation sehr schnell in einem Verfassungsschutzbericht auftauchen kann; meist wird dort auch nicht unterschieden, ob diese dann unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz steht oder tatsächlich Verstöße gegen das Grundgesetz begangen hat. Der Gesetzesentwurf des Finanzministeriums ließ den nicht mehr anerkannten Vereinen nur noch den langwierigen Weg zum Verwaltungsgericht, um sich aus dem Bericht zu klagen. Ein breiter Aufschrei unter den Verbänden verhinderte Schlimmeres. Der Bundestag beließ es im Oktober bei der alten Verfahrensweise.

 

Ebenfalls im Herbst 2012 erlebte die Extremismusklausel des Bundesfamilienministeriums den Anfang ihres (hoffentlich baldigen) Endes. Das  AKuBiZ in Pirna klagte erfolgreich dagegen, dass es bei Erhalt von Fördermitteln des Familienministeriums sämtliche Kooperationspartner auf ihre Demokratiefähigkeit überprüfen muss. By the way: Antragstellern, die nicht wussten, wie sie diese Bedingungen umsetzen sollten, wurde von den Mittelgebern wiederum der Blick in die Verfassungsschutzberichte nahegelegt. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts rettete sich Familienministerin Schröder mit einer nichtssagenden Ein-Satz-Klausel vor dem absoluten Gesichtsverlust. Die Extremismusklausel als Bedingung für die Projektgelder des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ besteht leider weiterhin, wurde aber deutlich zurechtgestutzt.

 

Die Arbeit der Jugendverbände bekommt durch solche politischen Vorstöße ernsthafte Probleme. Massive Verunsicherung und Existenzbedrohung von Vereinen sind die Folgen. Gerade Jugendverbände verstehen aus gutem Grund die Welt nicht mehr, sind sie doch mit ihren Inhalten und Methoden ein unverzichtbarer Pfeiler der Demokratie. Partizipation und Teilhabe für Kinder und Jugendliche praktizieren und ausbauen, Förderung und Bildung für alle sind wesentliche Voraussetzungen für ein demokratisches Miteinander. Verbunden mit einem wachsamen Auge auf die eigene Jugendarbeit und die Politik, damit diese sicher großen Ziele erreicht werden, können Jugendverbände selbstbewusst in die Auseinandersetzung mit Politiker/innen gehen, welche die demokratische Gesellschaft bedrohen durch gängelnde Maßnahmen für die Jugendarbeit.

 

 

Wer Demokratie fördern will, muss auch die Jugendverbände finanziell besser aufstellen. Dazu reicht es nicht aus, ab 2014 die nächsten Bundes- oder Landesprogramme einzurichten, um langfristige Arbeit immer stärker durch kurzfristige Projekte abzulösen. Vielmehr ist es notwendig die Jugendarbeit auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.

 


 

 

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