Rezension "Vom Randphänomen zum Verdichtungsraum""

In seinem Buch "Vom 'Randphänomen' zum 'Verdichtungsraum'" zeichnet der Dresdener Soziologe und Historiker Reiner Frenske die Geschichte der Rechtsextremismus-Forschungen seit 1945 nach. In der dichten Einführung dieser studentischen Qualifikationsarbeit legt Frenske seine Forschungsperspektive sowie den Forschungsstand dar und diskutiert zentrale Begriffe wie "Rechtsextremismus", "extreme Rechte", "(Neo)Faschismus" und "(Neo)Nationalsozialismus". Allein in diesem 32 Seiten umfassenden Teil verwendet der Autor 183 Fußnoten. Dies zeigt zwar wie viel Material der Arbeit zugrunde liegt, schränkt aber den Lesefluss ein und macht es mitunter schwer, einen klaren Roten Faden zu erkennen. Diese Vor- und Nachteile der sehr gründlich recherchierten Arbeit, ziehen sich durch das gesamte Werk.

Zwei Analyseteile stehen im Mittelpunkt des Buchs. Mit der Rekonstruktion der Rechtsextremismusforschungen nach 1945 steht der Autor vor der Schwierigkeit sowohl den historischen Kontext, die Entwicklung der extremen Rechten als auch die zeitgenössische wissenschaftliche Analyse darzustellen. Ihm gelingt es, die inhaltlichen Kernpunkte zu identifizieren, wobei er leider nicht systematisch vorgeht. Durch Exkurse, beispielsweise zu den Weimarer Republikschutzgesetzen oder dem deutschen Staatsbürgerschaftsrechts vor der Gründung des deutschen Reichs, franst die Darstellung aus. Trotzdem ist der Text flüssig geschrieben und enthält eine Fülle von Informationen, deren Stärke es ist, historische Informationen mit aktuellen Debatten zu verzahnen bzw. zu kontrastieren, wie vor allem im dritten Teil deutlich wird.

Aktuellere Forschungsansätze diskutiert Fenske im Kapitel über Erklärungsmodelle für die Entstehung von Rechtsextremismus. Vor allem seine Auseinandersetzung mit der Extremismusforschung stellt für Interessierte eine empfehlenswerte Lektüre dar. So rekonstruiert der Autor bestimmte "Glaubenssätze" der Extremismusforschung, und geht bis auf deren Kern zurück. Indem er beispielsweise die Bezeichnung des "verordneten Antifaschismus" der DDR oder die Positionen der Begründer der "militant democracy" im Original rezipiert, kommt er sehr plausibel zu dem Schluss, dass sie als Referenz für die Extremismusforschung denkbar unpassend seien.

Im abschließenden Kapitel zu Tendenzen, Problemen und Aufgaben der neueren (kritischen) Forschung versucht Frenske die verschiedenen Stränge seiner Ausführungen zu verzahnen. Hier zeigt sich der wissenschaftliche Hintergrund des Autors deutlich. Während der Historiker darstellt, versucht der Soziologe diskriminierungstheoretische und polit-ökonomische Ansätze für die Rechtsextremismusforschung brauchbar zu machen. Beides sind, wie der Autor zeigen kann, wichtige Perspektiven auf den Rechtsextremismus, die v.a. durch die staatsfixierte Extremismusforschung systematisch ausgeblendet werden. Während sein diskriminierungstheoretischer Ansatz eher unterschwellig mitläuft, gelingt es ihm - auch in der Rekonstruktion der Forschungen - immer wieder die Perspektive auf ökonomische Fragen einzuflechten und somit Lücken in populären Ansätzen aufzuzeigen.

Bei der Fülle an Material und Themen die der Autor verarbeitet, verwundert es nicht, dass an der ein oder anderen Stelle Unstimmigkeiten auftreten. So ist unklar, wieso Rechtsradikalismus im Gegensatz zum verfassungsfeindlichen Rechtsextremismus als "'verfassungswidrig', also erlaubt" gilt (S. 26). Sätze wie "Insbesondere Vertreter_innen der Extremismustheorie bevorzugen dagegen oft den Begriff des Neonationalsozialismus" (S. 32) bedürften einer weiteren Begründung. Denn von dieser Forschungsrichtung wird vor allem der Begriff Rechtsextremismus verwendet.

Zweifelsohne kann die große Palette an Themen nicht bearbeitet werden, ohne dass Wünsche offen blieben. Insbesondere zu den Ausführungen der Totalitarismusansätze hätte sich der Rezensent eine Erwähnung gewünscht, dass der Begriff seinen Ausgangspunkt in der Selbstbezeichnung der italienischen Faschisten hat. Auch differenzierte Totalitarismustheorien wie die von Hannah Arendt hätten eine Erwähnung verdient gehabt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Buch einen guten Überblick zur bundesdeutschen Rechtsextremismusforschung gibt. Die Vielzahl an Verweisen erleichtert es der Leserin die jeweiligen Ansätze oder Theorien weiter zu vertiefen. Trotz der erwähnten Schwächen in der Darstellung möchte ich das Buch allen nahelegen, die sich kritisch mit der Rechtsextremismusforschung und ihren Auslassungen auseinandersetzen möchten.

 

Maximilian Fuhrmann, Universität Bremen


 

 

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